Fuji-San

Für viele Japaner ist der Berg Fuji eine Verbindung zwischen Himmel und Erde, ein Maßstab für Harmonie, Reinheit und Schönheit und einfach ein Symbol für Japan

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Für viele Japaner ist der Berg Fuji eine Verbindung zwischen Himmel und Erde, ein Maßstab für Harmonie, Reinheit und Schönheit und einfach ein Symbol für Japan. Dichter widmen ihm Gedichte und Künstler schaffen zahlreiche Gemälde und Drucke. Hunderte von Legenden über den Fuji sind in der epischen Volksdichtung überliefert und Tausende von Pilgern besteigen den Gipfel seit Jahrhunderten auf der Suche nach spiritueller Erleuchtung. Der Fujiyama ist nicht nur der höchste Berg des Landes, sondern auch sein lebendiger Geist und der "Hochaltar der strahlenden Sonne".
In Japan ist der Kult der Berggipfel im Allgemeinen sehr ausgeprägt. Sie werden als inkarnierte Gottheiten verehrt und gelten als Ort der spirituellen Kraftentfaltung. Der Berg Fuji ruft seit langem tiefe spirituelle Gefühle in den Menschen hervor. Interessanterweise ist der Berg Fujiyama in Privatbesitz - der gesamte Berg gehört dem Shinto-Tempel Hongu Sengen, gemäß einer Schenkung des Shoguns Tokugawa Hidetada von 1609. 

Ein Berg wie ein Fächer und eine Lotusblume

Fujiyama, der Unsterbliche Berg, hat typisch japanische Züge. Sein schneeweißer Gipfel gleicht einem riesigen, auf dem Kopf stehenden Fächer, während die scharfen schwarzen Streifen an den Berghängen wie das Gerüst dieses Fächers aussehen. Der Fuji beherrscht das Leben mit seiner stillen Schönheit: Der Kummer legt sich, die Sehnsucht verschwindet, und es scheint, als ob von seinem Gipfel, dem Sitz des ewigen Friedens, Stille ausgeht, die einem weißen Lotus, der heiligen Blume Buddhas, ähnelt. Wie der Lotus ist der Fuji voller spiritueller Harmonie und Schönheit, wie ein japanischer Fächer, der mit den Sternen und den fliegenden Wolken flirtet.

 Der Fujiyama ist ein Stratovulkan, dessen kegelförmige Gestalt aus mehreren Schichten vulkanischer Asche und erstarrter Lava entstanden ist. Er war früher ein sehr aktiver Vulkan - seit 781 ist er zwölfmal in Strömen von Basaltlava ausgebrochen. Sogar der Name Fuji selbst wurde von der Ainu-Göttin des Feuers, "Fugi" oder "Huchi", abgeleitet. Der letzte große Ausbruch fand 1707 statt, als die Stadt Edo (das heutige Tokio) mit einer 15 Zentimeter dicken Ascheschicht bedeckt wurde. Interessanterweise stellten die Künstler dieser Zeit den Fuji weiterhin als ruhig und schön dar, als ob nichts geschehen wäre. Dies ist sehr charakteristisch für die japanische Kunst - die "wahre Ansicht" entspricht nicht immer der Realität. Vielmehr geht es darum, eine versteckte schöne Form zu vermitteln, damit die Menschen sehen können, wie das Objekt aussehen sollte. 

Verehrung des Fuji-San

In der Stadt Fujinomiya, wo der Berg Fuji weithin sichtbar ist, wurde eine Siedlung aus der Jumon-Zeit (13.000 v. Chr. - 300 v. Chr.) mit einem dem Berg geweihten Schrein entdeckt. Schon damals galt der Berg Fujiyama als heiliger Gipfel, der über das ganze Land wachte.

Miyako no Yoshika (834-879) schrieb in seinen "Notizen über den Berg Fuji" ("Fujisangi"), dass sich dort unsterbliche Heilige zur Erholung versammelten und während eines Festes im elften Mond des siebzehnten Jōgan-Jahres (875) sah man zwei Schönheiten in weißen Gewändern auf dem Gipfel tanzen. 

Im späten 8. Jahrhundert hatte sich bereits der Glaube verbreitet, dass der Berg Fuji der Aufenthaltsort von Asama, der Vulkangottheit, sei und es wurde ein Asama-Schrein zur Verehrung errichtet. In regelmäßigen Abständen stieß der Berg Fuji schwarzen Rauch in den Himmel, manchmal mit Flammen, die als "göttliches Feuer" bezeichnet wurden, was die Verehrung für den heiligen Berg noch verstärkte.

 Auch in der "Erzählung des alten Mannes Taketori" ("Taketori Monogatari") wird der Fuji erwähnt. In der letzten Episode überließ Prinzessin Kaguya-hime vor ihrer Rückkehr in die "Mondhauptstadt" dem Kaiser den Trank der Unsterblichkeit, doch dieser konnte den bitteren Abschied von seiner Geliebten nicht ertragen und befahl, das Elixier auf dem Berg zu verbrennen, der dem Himmel am nächsten gelegen ist. Der Diener des Kaisers verbrannte das Elixier auf dem Gipfel des Fuji, und seither wurde der Fuji zum "Berg der Unsterblichkeit".

 Die Verehrung des "göttlichen Feuers" des Fuji drückte sich auch in der Gestaltung der Oberbekleidung aus. So entstand das "Jin-Baori"-Obergewand aus Wolle, das der Militärführer Toyotomi Hideyoshi im späten 16. Jahrhundert trug. Auf der Rückseite des Gewandes ist die Silhouette eines Berges mit einer Spirale aus göttlichem Feuer eingraviert. Und am Fuße des Berges befinden sich Kreise, die Wassertropfen symbolisieren. Auf diese Weise huldigten die Japaner gleich zwei Göttern, dem Feuer und dem Wasser. Der Berg Fuji wurde häufig auf militärischen Ausrüstungsgegenständen wie Rüstungen, Helmen, Sätteln, Messern und Schilden abgebildet.

 Der Fuji hat in der japanischen Religion schon immer eine sehr wichtige Rolle gespielt. Im Mittelalter wurde auf seinem Gipfel ein buddhistischer Tempel errichtet und man glaubte, dort befinde sich das reine Land des Buddha Amida. Ein buddhistisches Mandala des Fujiyama mit dem Buddha Amida und Bodhisattvas, die auf dem Gipfel sitzen, ist bis heute erhalten geblieben. 

Seit der Edo-Zeit gilt jedoch die Göttin Konohanasakuya-hime oder die "Prinzessin der blühenden Kirschbäume" als Hauptgottheit des Fuji. Sie wird in der ersten japanischen mythologischen Chronik Kojiki (Aufzeichnungen über alte Angelegenheiten) erwähnt. Diese Göttin schwebt in einer schimmernden Wolke über dem Fuji und wird von unsichtbaren Dienern bedient, die bereit sind, jeden Reisenden, der mit unreinen Gedanken zum Berg kommt, zu Fall zu bringen. Es heißt, dass der Sand, der tagsüber auf den Fuß des Berges fällt, nachts zum Fuji zurückkehrt. 

Die Japaner betrachten den Fuji seit langem als ein Symbol für Wohlstand. Der erste Traum im neuen Jahr gilt als prophetisch und der Berg Fuji in einem Traum ist das beste aller Vorzeichen, denn er verheißt Glück und Wohlstand.

 Im Kult um den Fuji sind Elemente des Shintoismus, des Buddhismus, des Taoismus und des Volksglaubens eng miteinander verwoben, weshalb er so eng mit der japanischen Weltanschauung verbunden ist.

Der Berg Fuji in der japanischen Kunst

Der schneebedeckte Gipfel im Zentrum des Landes, der höchste der Insel, ist seit langem ein Objekt der Verehrung und Bewunderung. In der bildenden Kunst taucht der Fuji erstmals um das 11. Jahrhundert auf - die Bildrolle mit dem Titel "Die malerische Biografie des Prinzen Shotoku" illustriert eine Legende, der nach der Prinz im 6. Jahrhundert auf einem schwarzen Gaul den Fujiyama erklomm. Shotoku war ein berühmter Politiker und Verfechter des Buddhismus, wofür die Japaner ihn verehrten und seine Biografie immer wieder reproduzierten, wobei die Szene seiner Bezwingung des Berges Fuji stets mit einbezogen wurde.

 Im 17. Jahrhundert wurden die Landschaften des Berges Fuji von Künstlern der Rimpa-Schule abgebildet.

Am bekanntesten ist aber vermutlich bis heute Katsushiki Hokusais Serie von Farbholzschnitten (Ukiyo-e) "Sechsunddreißig Ansichten des Berges Fuji".  Der Künstler fertigte seine ersten Skizzen im Jahr 1830 an, als er bereits siebzig Jahre alt war. Wie er selbst später feststellte, konnte sich nichts, was er in den vorangegangenen 70 Jahren geschaffen hatte, mit diesen Werken messen. Die Serie fand sofort großen Anklang und wurde sehr populär, was vor allem auf die originellen Kompositionstechniken zurückzuführen ist. Einige Drucke zeigen den Berg Fuji, der fast die gesamte Fläche einnimmt, andere das Stadtbild von Edo, während der majestätische Berg in der Ferne kaum zu sehen ist. 

In den Jahren 1834-35 erschien ein dreibändiges Werk von Hokusai mit dem Titel "Hundert Ansichten des Berges Fuji", eine Fortsetzung des ersten Albums, aber alle Drucke sind in monochromem Grau und Schwarz gehalten. Einige Bilder deuten die Anwesenheit des Berges nur an, indem sie ihn auf einem Schirm oder als Spiegelung in einem See oder einer Schale mit Wein zeigen.

Der Berg Fuji erscheint auch in anderen Werken von Katsushika Hokusai. Das Gemälde "Muschelernte bei Ebbe" zeigt Muschelsammler, während in der Ferne der schneebedeckte Berg Fuji zu sehen ist. Sein letztes Gemälde, das Hokusai 1849, in seinem neunzigsten Lebensjahr, malte, war ebenfalls dem heiligen Berg gewidmet und zeigt einen Drachen, der den Fujiyama umfliegt.

Ende des 19. Jh. betrachtete der Franzose Edmond de Goncourt, ein leidenschaftlicher Bewunderer der japanischen Kultur, mehrere Holzschnitte Hokusais und notierte am 17. Februar 1892 in seinem Tagebuch: "Es ist schwer vorstellbar, in welchem Ausmaß unsere modernen Landschaftsmaler, insbesondere Monet, Ihre Inspiration diesen Werken zu verdanken haben."

In der Tat inspirierten japanische Drucke die Impressionisten, und Hokusais Serie der der Fuji-Ansichten hatte einen bedeutenden Einfluss auf die europäische Kunst des 19. Jahrhunderts. Später, als Claude Debussy drei Orchesterwerke unter dem allgemeinen Titel "Das Meer" komponierte, wurde der Holzschnitt "Die große Welle bei Kanagawa" aus derselben Serie der Fuji-Ansichten für das Cover der Notenblätter ausgewählt.

Es dürfte schwierig sein, auch nur einen einzigen bedeutenden Künstler der Edo-Zeit zu nennen, der keines seiner Werke dem Fuji gewidmet hatte. Der heilige Berg ist auf Leinwänden, Schirmen, Shojis, Bildrollen, Mandalas, Stoffen, Geschirr und Holzschnitten zu sehen. Der Künstler Ando Hiroshige schuf 1852 das Album "Sechsunddreißig Bilder des Fuji" als Antwort auf Hokusais berühmte Serie. Diese wurden nicht nur zur Bewunderung geschaffen, sondern gern auch als Souvenirs und Geschenke von Pilgerreisenden gekauft. Die Drucke wurden in großen Auflagen produziert und waren stets sehr schnell vergriffen, was die große Bedeutung des Berges Fuji in der japanischen Kultur verdeutlicht.

Künstler des 18. und 19. Jahrhunderts stellten den Fuji viel größer dar, als er von Edo aus zu sehen war, was ebenfalls auf die große Bedeutung des Berges hinweist. Hiroshiges Serie "Einhundert berühmte Ansichten von Edo" zum Beispiel umfasste 120 Tafeln, von denen 19 den Berg Fujiyama zeigen. Die Serie beginnt mit "Nihombashi nach dem Schneefall" und zeigt das Viertel Nihombashi, das mit reinem weißen Schnee bedeckt ist, und den schneeweißen Gipfel des Berges Fuji in der Ferne. Den Berg von der Nihombashi-Brücke aus am dritten Tag des neuen Jahres zu bewundern war ein wichtiger Brauch in der Edo-Zeit.

Der Berg Fuji spielte auch bei der Architektur und Planung des modernen Tokio eine große Rolle. In japanischen Hauptstädten waren die umliegenden Berge schon immer ein Orientierungspunkt, und im Fall von Edo waren es gleich zwei Gipfel: der Fuji im Westen und Tsukuba im Norden.

Die Stadtbewohner selbst bauten gern sogenannte "Fujizuka", kleine Hügel in Form des Fuji. Pilgerfahrten zum Berg wurden immer beliebter, und Menschen, die aus welchen Gründen auch immer nicht daran teilnehmen konnten, bestiegen stattdessen eine der Miniaturen. Verglichen mit dem Fuji waren diese Bauwerke klein - etwa 15 Meter hoch - mit einem Tor am Fuß und einem kleinen Schrein auf dem Gipfel. Ein solcher Hügel ist auf Hiroshiges Holzschnitt "Neuer Fuji von Meguro" abgebildet.

Es gab auch einen "Alten Fuji in Meguro", der in dem gleichnamigen Ukiyo-e aus derselben Serie abgebildet ist. Diese beiden Hügel zogen viele Pilger an, und es gab insgesamt sieben solcher Bauwerke in Edo.

Eines der berühmtesten Haiku über den Berg Fuji wurde im 18. Jahrhundert von dem Dichter Kobayashi Issa verfasst:

かたつむり
そろそろ登れ
富士の山

„Katatsumuri
sorosoro nobore
fuji no yama“

„Die kleine Schnecke
ganz langsam steigt sie hinauf
auf den Berg Fuji"

Die Besteigung des Fujiyama wird nicht nur als physischer Anstrengung betrachtet, sondern als ein Weg zur spirituellen Erleuchtung. In der alten Shinto-Tradition kleiden sich die Pilger in weiße Gewänder und breite Strohhüte und gehen langsam den Berg hinauf, während sie die Glocke läuten und das Mantra "Mögen unsere sechs Sinne rein sein, möge das Wetter auf dem ehrwürdigen Berg immer klar sein" rezitieren.